Nachdem das biblische „Wir“ als Ehebegriff durch die Individualisierung zertreten wurde, werden nun zunehmend die persönlichen wie auch die gesellschaftlichen Konsequenzen negativ sichtbar. So erstaunt die Einsicht nicht, dass eine gelingende Beziehung ein „Wir“ benötigt. Warum nur sind wir Menschen nicht intelligent genug, gleich auf das „Wir in der Ehe“, wie es Gott als Schöpfer aller Beziehung beschrieben hat, zu setzen?
Walter Hollstein ist Professor emeritus für Soziologie. Er hat in der Ausgabe von „soziologie heute“ vom Dez 18 bemerkenswerte Aussagen zusammengetragen und Schlussfolgerungen gezogen. In Bezug auf die Familie und Ehe schreibt er: „Kollektive Werte und Traditionen, die bis anhin sichere Orientierung ermöglicht hatten, erodieren. Die alten Regeln und Normen, die für alle Beteiligten Verhaltensstabilität bedeutet hatten, gelten nicht mehr, ohne dass neue an ihre Stelle getreten wären. Wenn keine vorgegebenen Normen und Regeln mehr existieren, um das Zusammenleben von Frauen, Männern und Kindern a priori zu ordnen, bedarf es des ständigen Aushandelns im Gespräch, um den Alltag der Betroffenen aufrechtzuerhalten. Nichts ist mehr selbstverständlich. Die Freiheit ist zwar gewachsen, verlangt aber, weil sie ja nicht als solche reguliert ist, die inhaltliche Ausgestaltung, und das als permanente Herausforderung.“ Die Konsequenzen aus dieser Situation hat der Soziologe Peter Berger wie folgt formuliert: „Sicher würde ihnen das viel Freiheit geben, und für eine Weile wäre das wohl auch aufregend. Als ständiger Sachverhalt wäre das unmöglich: Es würde ihre ganze Zeit und Energie in Anspruch nehmen, so dass sie zu nichts anderem kämen“. Die Herausforderungen für eine Beziehung sind also riesig und verschärfen sich noch mit der zunehmenden Differenzierung der Geschlechter. Und so erstaunt es nicht, dass die amerikanischen Paar-Therapeuten Samuel Shem und Janet Surrey postulieren, dass es wieder darum geht, sich in einem „Wir“ zu finden, das Gemeinsame in der Partnerschaft zu betonen.